Die Lapita Expedition

Die Lapita-Expedition – Die ersten Siedler der Südsee

Die Lapita Expedition
Die Lapita Expedition

Südsee – dieses Wort weckt die Sehnsucht nach der Ferne, nach Palmen, Meer, unberührter Natur – die Sehnsucht nach dem Paradies.

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Viele haben dieser Sehnsucht nachgegeben und sind für einige Zeit oder für immer auf eine der zahlreichen Inseln in diesem Paradies geblieben.

Der französische Maler Paul Gauguin lebte lange Zeit auf der Insel Hiva Oa und versuchte in seinen Bildern die Menschen der Insel und ihre Lebensart einzufangen. Der belgische Chansonniere Jaques Brel wurde von den Bewohnern der Insel Hiva Oa als „Engel der Südsee“ bezeichnet und es wurde ihm sogar ein Museum errichtet.

Thor Heyerdahl lebte mit seiner Frau Liv ein Jahr lang auf der Insel Fatu Hiva und stellte sich die Frage, woher kamen die Menschen, die all diese Inseln bewohnen. Heyerdahl fand auf Fatu Hiva steinerne Statuen, Tikis genannt, die Ähnlichkeit mit Statuen in Südamerika hatten. Für die These der Besiedelung aus dem Osten sprachen viele Hinweise, sodass Heyerdahl zu seiner legendären Expedition „Kon Tiki“ aufbrach, um diese These zu untermauern.

Nach dem Gelingen dieser Expedition stand für viele fest, die Polynesier kamen aus Südamerika.

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1952 fanden die amerikanischen Archäologen Edward W. Gifford und Richard Shulter jr. Keramikscherben auf der westpazifischen Insel Neukaledonien. Nach dem Fundort nannten sie die Keramik „Lapita“. Andere Forscher fanden in den Folgejahren Lapita-Keramik auf Papua-Neuguinea, den Salomonen, Vanuatu und als Sensation, auf den Fidschi-Inseln, auf Tonga und Samoa.

Bereits im Jahre 1908 hatte der deutsche Pfarrer Otto Meyer auf der Insel Watom Keramikscherben gesammelt, konnte sie aber keiner Kultur zuordnen. Gifford und Shulter folgerten, dass die „Lapita-Leute“ als Erste den westlichen Pazifik besiedelt hatten.

Durch das verschiedene Alter der Scherben schließen Wissenschaftler, dass die Besiedelung von West nach Ost stattfand.

Hatte sich Thor Heyerdahl geirrt? Eine Heerschar von jungen Akademikern der Anrainerstaaten fragte sich, wer waren die Menschen, woher kamen sie, die all diese Inseln auf dem Seeweg besiedelt hatten.

[nggallery id=125]Klaus Hympendahl, ein Verfechter der Annahme, dass die Besiedelung von West nach Ost stattfand, lebte im Zuge seiner Weltumseglung kurze Zeit auf der kleinen Insel Tikopia. Der Häuptlingssohn Edward regte an, dass sich Hympendahl mit dem Katamaran-Konstrukteur James Wharram und der Boots-Designerin Hanneke Boon träfe. Bei diesem Treffen wurde tagelang über Tikopia, dem polynesischen Bootsbau und dem Navigieren ohne Kompass gesprochen. Dann kam die Sprache auf das heilige Kanu der Insel Tikopia, dass im Auckland Museum ausgestellt ist. Ein Kanu mit einem V-förmigen Rumpf, ein Boot, mit dem man am Wind segeln kann und gegen den Wind aufkreuzen. Man konnte davon ausgehen, dass sich die Polynesier nicht nur von den vorherrschenden Passatwinden treiben lassen mussten. Hanneke Boon nahm das heilige Kanu als Vorbild und baute ein Zweirumpfboot, ein früher üblicher Bootstyp, stattete es mit Krebsscherensegel aus, verband die beiden Rümpfe mit fünf Beams und einer Plattform nach traditioneller Art mit Tampen.
Schnell war eine Idee geboren: Den Insulanern der Insel Tikopia und Anuta sollten zwei Boote dieser Bauart geschenkt werden. Um die nötigen Geldmittel zu erhalten, sollte die Übergabe der Boote mit einer historischen einmaligen Seereise, einer wissenschaftlichen Expedition verbunden werden. Diese ganze Reise würde durch unbekanntes Gebiet über ca. 4000 Seemeilen führen und müsste in nur einem halben Jahr, während der Monsunzeit, geschafft werden.

[nggallery id=128]Eine bunte Schar von Seglern, Wissenschaftler und Mitseglern wurde gefunden, die dieses Abenteuer unterstützen und erleben wollten. Die Boote wurden in der Werft von Andy Smith gebaut und nach zwei Jahren konnte die „Lapita Voyage“ beginnen. In sechs Segeletappen sollte bewiesen werden, dass die Besiedelung Polynesiens von West nach Ost stattgefunden hatte.
Die erste Etappe über ca. 760 Seemeilen sollte von Panglao auf den Philippinen nach Ternate in Indonesien gehen. Nach einem großen Fest am Strand von Alona, im Beisein des Gouverneurs von Bohol, von Werftarbeitern, Kamerateams und vielen Gästen stachen die „Lapita Tikopia“ und die „Lapita Anuta“ in See.

Dann begann das Fiasko. Die Boote reagierten nicht, wie sie sollten, die stürmischer werdende See brachte ständig Wasser über Deck, die Taklings der Schote rissen und die Segeleigenschaften waren miserabel. Einstimmig wurde beschlossen, wieder zurückzusegeln. Ein Umbau stand bevor, um beide Schiffe besser auf die Reise vorzubereiten.

[nggallery id=124]Mit einer Woche Verspätung konnte das Abenteuer beginnen. Es war wie verhext. Schwacher Wind und Gegenströmung ließen die Schiffe nicht weiterkommen. Die Zeit drängte, ein Umseglung der Insel Mindanao im Westen war wegen der Rebellen nicht möglich. Gegen ein kleines Handgeld wurde beschlossen, beide Boote mit der Fähre zu der Stadt Surigao auf Mindanao schleppen zu lassen. Da die Flaute weiter anhielt, mussten die Boote mit Motorbooten von Surigao durch die Surigao-Passage geschleppt werden. Endlich konnte Kurs gesetzt und gesegelt werden.

Stürmisches Wetter und Dauerregen zwang die Besatzungen Schutz in der Bislig Bay zu suchen, laut Autor was das einzig Trockene an Bord der Sherry. Endlich kam konstanter Nordost-Monsun auf und es konnte gesegelt werden. Dann ließ der Wind nach und nur mit Mühe konnte die Provinzhauptstadt Kota Ternate auf der Vulkaninsel Ternate erreicht werden. Nach dem Formularkrieg für die Einreise wurde die Zusammenstellung der Crew optimiert und es konnte die zweite Etappe der Expedition beginnen.

[nggallery id=127]Von Ternate in Indonesien ging es 820 Seemeilen weiter nach Jayapura auf Irian Jaya. Auf der Insel Gebe kamen erstmalig Südseegefühle auf. Als nächste Zwischenetappe bot sich das Taucherparadies, die Insel Kri an. Endlich gab es kühles Bier, weiche Sessel und ein kranker Mitsegler konnte verarztet werden. Nach dieser kleinen Relaxpause wollte die Crew Biak erreichen. Hoher Seegang, Sturm, Flaute und Gegenwind ließen die Kräfte der Mannschaft erschlaffen. Eine kleine Unaufmerksamkeit, dann war „Mann über Bord“. Die Badeleiter war der rettende Engel. Die letzte Sprosse der Leiter bot Halt und so konnte größeres Unheil vermieden werden. Um der anhaltenden Flaute zu entkommen und die neue Crew nicht noch länger warten zu lassen, wurden die Boote mit dem Dingi mit Außenbordmotor zum Ort Korido auf der Insel Biak geschleppt. In Korido mit viel Gastfreundschaft aufgenommen, schöpfte die Mannschaft wieder Kraft. Von Korido ging die Fahrt zügig nach der Hauptstadt Kota Biak. Einkäufe mussten erledigt werden und nach etwas Schmiergeld bei der Immigrationsstelle konnte die Weiterfahrt beginnen. Bei günstigem Wind glitten die Schiffe nach Jayapura. Durch Plastik, Kot und Dreck legten die Schiffe in Jayapura an. Es war Weihnachten und damit die rasche Weiterfahrt durch die Feiertage gefährdet. Aber ein kleines Bündel Geldscheine kann so manche Unannehmlichkeit vermeiden.

780 Seemeilen standen bevor, die Strecke von Jayapura nach Rabaul lag vor den Booten. Die Boote hatten sich bis jetzt mehr als bewährt und trotzten allen Widrigkeiten. Nach drei Tagen wurde Wewak auf Papua-Neuguinea erreicht. Proviant konnte aufgenommen werden und eine kleine Erholungspause wurde der Crew gegönnt. Auf der Insel Karkar wurden Informationen über den traditionellen Schiffsbau der Polynesier gesammelt und weiter ging die Fahrt Richtung Garove. Sturm kam auf und die Boote schossen viel zu schnell durch die Nacht. Nach drei Sturmtagen konnten die Schiffe den Windschatten der Insel Garove erreichen und endlich sämtliche Kleidungsstücke trocknen. Von der Bevölkerung freundlich aufgenommen, wurde Wasser und Obst an Bord genommen. Bei der Abreise wurden alle positiven Eindrücke weggewischt. Nur nach Zahlung einer „Liegegebühr“ durften die Schiffe Garove verlassen.
Es herrschte wieder raues Wetter und die Laune war auf dem Tiefpunkt. Endlich wurde der Wind schwächer und dann sah man von Weitem schon die Rauchschwaden des Vulkans Tavurvur, der Aschewolken hoch in den Himmel schoss. Rabaul lag unter einer hohen Aschenschicht. Nach vier Tagen Aufenthalt fiel der Abschied nicht schwer. Laut Autor roch es im ehemaligen Paradies inzwischen nach Hölle!

[nggallery id=129]Die vierte Etappe von 600 Seemeilen von Rabaul nach Honiara auf den Salomonen wurden in Angriff genommen. Ein kleiner Abstecher zur Insel Kerawara brachte das Team ins Schwärmen. Am Strand fanden sich unzählige Scherben von „Lapitakeramik“ und dieser Fund ließ die Strapazen der Reise vergessen. Dann kam die nächste Flaute und die Stimmung sank auf den Nullpunkt. Zwischen Flauten und Schwachwindphasen ging die Fahrt nur mühsam voran. Dann kam die absolute Flaute, nichts ging mehr, kein Lüftchen regte sich. Wieder musste das Dingi mit seinem Außenbordmotor die Arbeit abnehmen und das Boot nach Mono, der westlichsten Insel der Salomonen, ziehen. Auf Mono wurde Frischwasser gebunkert und Geschenke mit dem Häuptling ausgetauscht. Nach der Abfahrt von Mono schüttete es wieder im Paradies. Unter Zittern wurde die enge Passage zwischen den Inseln Simbo und Ranongga durchfahren. Endlich wurde die Insel Rendova erreicht und in der paradiesischen Bucht Eghelo Bay geankert. Es war Schlechtwetter vorausgesagt und das Südseeparadies bot keine Sonne und keine Wärme.
Auf den Russell-Inseln in Nukufero wurde von der Bevölkerung ein wunderbares Fest zu Ehren der Crew gegeben und mit Fleisch versorgt. In Honiara wurde ein Filmteam erwartet, aber es herrschte wieder Flaute. Wieder wurden die Botte von einem Motorboot in Schlepptau genommen und nach Honiara geschleppt.

Nach fünftägigem, hektischen Aufenthalt in Honiara legten die Boote ab und machten sich auf den 420 Seemeilen langen Weg nach Ndeni. Auf der Insel Makira wurde von den Einheimischen ein großes Fest zu Ehren der Belegschaft veranstaltet und das Wetter war endlich so wie es in der Südsee sein sollte. Aus wissenschaftlicher Sicht sollte die Insel Santa Ane angelaufen werden. Die Wissenschaftler nehmen an, dass diese Insel ein wichtiger Siedlungspunkt der Lapita-Leute war. Auf der Fahrt von Santa Ane nach Ndeni kam kein Südseefeeling auf. Grauer Himmel, Sturm, Flaute oder Gegenwind. Miserable Sicht und in den Kojen floss das Wasser von den Wänden. Kochen war nicht möglich, es mussten Kekse und Wasser reichen. In der dritten Nacht der Überfahrt riss der Tampen und musste mitten in der Nacht, bei starkem Seegang, repariert werden. 20 Seemeilen vor der Insel Ndeni brach die vordere Bambusspiere. Endlich wurde die Graciosa Bay als sicherer Hafen erreicht.

[nggallery id=126]Nach den unumgänglichen Reparaturarbeiten konnte die letzte 600 Seemeilen lange Etappe von Ndeni nach Tikopia bzw. Anuta beginnen. Die Anker wurden gelichtet und der Kurs ging Richtung Osten, der Insel Vanikolo entgegen. Aber da war sie wieder, die Flaute. Mehrere Tage lang dümpelten die Schiffe in Höhe der Insel Utupua, ohne einen Meter weiter zu kommen. Endlich kam Wind auf und die Insel Vanikolo rückte langsam näher. Wieder war Flaute und das Dingi musste die Schiffe nach Muruvai ziehen. Nach freundlicher Begrüßung und etlichen Feiern wurde die letzte Teiletappe nach Tikopia angetreten. Dann, nach fünf Tagen, war Tikopia, die Endstation erreicht.
In einer feierlichen Prozession wurde ein Boot an die Einwohner der Insel übergeben.

Nach 4000 Seemeilen hatte die Expedition bewiesen, dass eine Besiedelung von West nach Ost möglich gewesen war und die Migrations-Etappen mit Booten bewältigt werden konnten.

Die Lapita-Expedition
4000 Meilen auf den Spuren der ersten Siedler in die Südsee
ISBN: 978-3-7243-1041-9
23,70 EUR A (UVP)
terra magica

www.herbig.net/verlage/terra-magica.html

Klaus Hympendahl
Klaus Hympendahl ist geborener Hamburger. Er arbeitet lange Zeit als Texter und Creative Director und war Inhaber einer eigenen Werbeagentur. Seine Leidenschaft für das Segeln erbte er von seinem Vater. Von 1986 bis 1991 umsegelte er die Welt. Danach gründete er eine Yacht-Ausrüstungsfirma. 2008/2009 leitete er die Südsee-Expedition „Lapita-Voyage“, die die Grundlage seines Buches bildet. Klaus Hympendahl hat zahlreiche Artikel für Segelzeitschriften und mehrere Bücher geschrieben, darunter „Logbuch der Angst“ und „Yacht-Piraterie – die neue Gefahr“. Seit vielen Jahren lebt er in Düsseldorf.

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