Der Abschied vom „Zweiten Wohnzimmer“

Wir Konsumenten und Konsumentinnen lieben unsere Stamm-Wirtshäuser, -Kaffeehäuser, -Bars, -Konditoreien, -Restaurants, ja sogar unseren Stamm-Würstelstand. Dort fühlen wir uns wohl, dort sind wir fast zu Hause.

Schlimm, wenn es dann dieses Stammlokal, aus welchen Gründen auch immer, nicht mehr gibt. Es entsteht ein Vakuum, das gar nicht so leicht zu füllen ist.
Noch schlimmer jedoch, wenn man als Stammgast den langsamen Verfall des so beliebten Etablissements erleben muss.

So geht es uns zur Zeit mit unserem Lieblingsrestaurant, das wir seit Jahren besuchen. Zuerst war es ein nettes Wirtshaus, in dem du gut gegessen hast. Nachdem der Pächter in den wohlverdienten Ruhestand trat, übernahm ein junger Wirt, samt Wirtin, das Gasthaus, renovierte sukzessive die Räumlichkeiten und brachte neuen Schwung hinein.

Auf der Speisekarte fanden sich wechselnde Schmankerln, die es sonst fast nirgends gab, die Menüs waren kostengünstig und mehr als ausreichend. Natürlich gab es auch die üblichen Standardgerichte, ohne die eine gute Küche nicht auskommt. Die Qualität und der Geschmack der Gerichte waren hervorragend, zu einer Nachspeise kamen wir selten, da einfach im Magen kein Platz dafür vorhanden war.

Ein kurzes „Wie immer?“, ein kurzes Nicken von uns und schon stand das gewünschte Getränk vor uns.
Als einmal unsererseits kein kurzes Nicken erfolgte und die Bestellung gar nicht nach unseren sonstigen Wünschen ausfiel, kam sofort die Feststellung: „Klingt nicht gut“. Nun, es war nicht nur „nicht gut“, es war sogar ziemlich schlecht. Erst als wir nach längerer Zeit wieder zu unserer alten Bestellweise zurückkehrten, seufzte der Kellner erleichtert auf. Mit der Bemerkung „die Getränke gehen auf Rechnung des Hauses“ kam das Gewünschte auf den Tisch und ohne viel Worte fühlten wir, dass die Erleichterung echt war.
Zu Stoßzeiten achtete man darauf, dass das Stammpersonal durch zusätzliche Kräfte entlastet wurde und der Gast nicht zu lange warten musste.

Im Sommer schnabulierte man im Garten, im Winter war der Andrang oft so groß, dass man sogar unter der Woche einen Tisch reservieren musste.

Vor einiger Zeit hat sich der ehemalige Wirt ein neues Refugium in einem anderen Bundesland aufgebaut. Frau Wirtin managt das Restaurant nun mit einem neuen Wirt. Das Essen ist nach wie vor gut, die Qualität passt. Leider wird das Personal wie das sprichwörtliche „Hemd“ gewechselt und ist völlig überlastet, da an jeder Ecke gespart wird. Die Speisekarte wurde auf ein Minimum reduziert und bietet jetzt keinerlei kreative Ansätze. Dafür wurden die Preise, die immer schon etwas höher angelegt waren, um ein Stück in die Höhe gesetzt.
Da sind so Kleinigkeiten wie ein mit zwei Kaffeetassen herumirrender Lehrling, der dich beim Gehen frägt, ob du ein Wasser zum Kaffee magst, kein Papier auf der Toilette oder das Keppeln der Wirtin mit ihrem Personal vor den Gästen schon Nebensächlichkeiten, die fast gar nicht mehr ins Gewicht fallen.
Unter der Woche sind die heiligen Hallen fast leer, die Stammgäste werden immer weniger, Laufkundschaft ist bei der Lage fast nicht zu erwarten.

Und wir? Wir sind ab sofort auf der Suche nach einem neuen „Zweiten Zuhause“, in dem wir uns wohlfühlen und in dem wir gerne unsere Füße unter dem Wirtshaustisch ausstrecken. Schade, einfach nur schade.