„Tussikratie“ von Theresa Bäuerlein und Friederike Knüpling

Theresa Bäuerlein und Friederike Knüpling, zwei Autorinnen, die mit beiden Beinen im Leben stehen, rollen mit ihrem Buch „Tussikratie – Warum Frauen nichts falsch und Männer nichts richtig machen können“ die Geschlechterdebatte erneut aus ihrer Sicht auf und ecken damit bereits in so manchen Kreisen an.

Den beiden Frauen kann man kaum vorwerfen, Heimchen am Herd zu sein und dem alten Rollenbild der Frau zwischen Kinder, Küche und Kirche nachzuweinen. Sie nehmen sich die Freiheit, ihr Unbehagen über die Weise, wie derzeit über die Geschlechter gesprochen wird, auszusprechen und bieten damit „dem verhohlenem Zwang, der kontrolliert, wer sich wie zu diesem Thema äußern darf“, die Stirn.
Noch mehr setzen sich die beiden Damen mit dem Passus „Tussis wehren sich gegen biologistische Erklärungsmuster nur dann, wenn Frauen dabei schlechter wegkommen, akzeptieren sie aber gerne und verbreiten sie weiter, wenn Männer bestimmte Talente abgesprochen werden“ in die sprichwörtlichen Nesseln.
Auch bei den so beliebten Zahlenspielen über Ungleichheiten beim Lohn fangen die Autorinnen zum Nachrechnen an und zeigen auf, wie schnell Manipulation um sich greift und „mehr Gelassenheit und Differenzierung wünschenswert“ wären. Gleichzeitig weisen sie darauf hin, dass schlechte Bezahlung kein Genderproblem ist, sondern massenhaft Mitarbeiter ganzer Branchen davon betroffen sind.
Das gern gebrachte Argument, Männer kümmern sich nicht um ihre Kinder, weichen sie durch Studien auf, die einer Mehrzahl von Männern attestiert, dass sie gerne mehr Zeit mit der Familie verbringen würden, aber schlichtweg den Gehaltsausfall der Mütter kompensieren müssen. Die Autorinnen schließen sich der Meinung an, dass neuartige Familienkonzepte auf den Tisch gehören, stellen aber auch fest, dass es viele Mütter nicht schaffen zu akzeptieren, dass Kinder den Vater zeitweise lieber und dringender brauchen.
Die so beliebte Opferrollen-Keule „weil ich eine Frau bin, konnte ich nicht …., durfte ich nicht …, wurde es mir verweigert …“ ist den beiden ein Kapitel wert, in dem sie darauf hinweisen, dass Männer mit gleicher Ausbildung, gleichem Gesellschaftsstatus ebenso an die „gläserne Decke“ stoßen. Anscheinend fühlen sich Männer bei einem „solchen Opfergetue“ nicht so wohl, wie so manche Frauen, die damit sehr gut zurechtkommen.
Quintessenz des Buches ist eigentlich, dass Menschen verschiedenen Geschlechts nun mal miteinander auskommen müssen. „Die Verhältnisse, die man kritisieren möchte, einfach umzudrehen, ist keine Lösung. Man verharrt damit in der Problemstellung.“ Und zum Darüberstreuen noch ein Satz aus dem Buch: „Die Strukturen, in denen wir leben und arbeiten sind heute globaler und prekärer als früher, aber eine umfassende Neudefinition der Geschlechterbeziehungen ist bisher ausgeblieben.“ Das Problem an der Neudefinition liegt aber sicher darin, dass es hier oft nicht um Gleichberechtigung geht, sondern um Macht und Machterhalt, und das nicht nur auf Männerseite.
Als einen der interessantesten Sätze finde ich ja: „Stell dir vor es gibt Geschlechterrollen, und keiner schert sich darum“.

Bereits Bertha von Suttner schrieb „Die Waffen nieder“, erhielt den Friedensnobelpreis, der Rest ist Geschichte. Die Menschheit hat seitdem leider nicht viel dazugelernt.

Tussikratie
Warum Frauen nichts falsch und Männer nichts richtig machen können
Theresa Bäuerlein, Friederike Knüpling
Heyne-Verlag
ISBN: 978-3-453-20066-1
UVP 17,50 Euro

Das Buch ist auch als E-Book erhältlich.

www.heyne.de